Einfach frei

7. Etappe – 23. Mai 2017 Lutherstadt Wittenberg über den Schwielowsee (72 km) nach Potsdam 87,7 km

Tommy und ich kaufen noch Vorräte in einem riesigen Einkaufszentrum ein. Eigentlich wollte ich doch auf der Fahrt ein neues T-Shirt einkaufen. Ich entscheide mich dagegen. Wir suchen uns den R1 und wir hätten gerne noch ein „Lutherstadt Wittenberg“ Schild gefunden – für Tommy das Beweis-Foto dagewesen zu sein. Die Radwege führen uns nicht an Ortseingangs– bzw. Ortsausgangsschildern vorbei. Nach dem letzten Vorörtchen – übrigens wieder herrlicher Sonnenschein kommen wir direkt in einen Wald und eine Abfahrt. Tommy fährt voraus, ich sehe ihn wackeln und rufen (??) oha eine Rechtskurve mit tiefem Kies, mein Vorderrad schlägt nach rechts um und ich rutsche aus voller Fahrt zu Boden. Ich pralle mit dem Jochbein auf den harten Boden auf, fühle eine Schwellung, und sehe Sternchen…. Ich merke, dass ich mich aufrichte. Nasenbluten? Ist mir schwindlig – nö geht. Tommy kommt, sieht, „sieht nicht so schlimm aus“…. Mit seinem Trinkwasser wasche ich selbst mein Gesicht, und meine rechte Hand ab, er desinfiziert meine Wunden mit aufgesetzten „Schwedenkräutern“, das brennen ist sooo schlimm, mir stehen die Tränen in meinen Augen. Ich sehe sein Mitgefühl. Ich weine nicht. Er verpflastert mein Kinn und meine Handinnenfläche und ich bekomme einen blauen Klebeverband an die rechte Hand. Er hilft mir auf die Beine – kein Schwindel – er kümmert sich ums Fahrrad, die Lampe ist abgerissen. Er gibt mir den Sack mit Wechselsachen aus meiner Packtasche. Ich ziehe mich um. Kaum bin ich fertig, kommt ein weiterer Radwanderer der anhält. Er will helfen. Es ist Andreas aus Plauen. Die Jungs kommen ins Gespräch, da ihre Mountainbikes fast identisch aussehen und bepackt sind. Ich wechsle derweil meine Brille. Die Sonnenbrille hat einen Kratzer abbekommen, da ist nix zu machen = das Glas wird nach der Tour 229,- € kosten. Was wichtig ist, dass meine Hauptbrille nichts abbekommen hat, da ich ohne Brille nicht Radfahren kann. Vorsichtshalber nehme ich eine Schmerztablette. Apropos Radfahren, ich konnte weiter fahren. Der Verband hat die Wunde gut gepolstert, Tetanusimpfung ist okay. Die Knieschmerzen und Sitzprobleme merke ich heute fast nicht mehr. Andreas ist mit uns zusammen weiter gefahren. In Raben haben wir in einem Café Pause gemacht. Es ist toll in einer Gruppe zu fahren. Die Jungs passen gut auf mich auf. Gegenüber am Tisch sitzt ein Mann, dem mein verbeultes Gesicht ausnehmend gut gefällt. Ätzend. Unangenehm. Ich wechsle den Platz.

Die Jungs mit ihrem großen Gepäck sind meist weit hinter mir, dem E-Bike sei Dank. So bin ich immer als erstes an den Schildern, die den R1 beschildern und die Tommy gerne fotografiert. Ich mache Pause, trinke, schaue. Hinter einem Ort in einem Wäldchen machen wir alle Pause und mehrere Radfahrer Gruppen überholen uns, u. a. die Hamburger, die mich morgen in Potsdam wieder treffen. Sie wussten es, ich dann nicht mehr, aber mit meiner Beschilderung…. Daran erinnern sich alle. Jetzt fahren wir über gute Wege, durch viele Wälder, das ist der Fläming…

Auf der Weiterfahrt habe ich das erste Mal auf der ganzen Fahrt Heuschnupfen. Ich nehme Lorano dagegen, es macht mich aber müde. Muss eine Pause machen und bin echt fertig. Da werde ich zurechtgewiesen, „dass ich einfach nicht so schnell fahren soll“ (Tommy). Es fällt mir so schwer hinten zu fahren. Aber manchmal klappt es. Auf vielen Fotos, die Tommy in seinem Blog verwendet hat, fahre ich vor ihm 😉

Kurz bevor wir am Schwielowsee ankommen sind wir wieder auf Kieswegen unterwegs, na, da bin ich jetzt supervorsichtig. Am zweiten Zeltplatz am Schwielowsee halten wir an, die Jungs bauen ihre Zelte auf. Tommy fährt zum nächsten Ort, einkaufen. Ich kühle meine Beine im Wasser, sitze auf dem Steg, da ruft meine Freundin Ulrike an. Wir quatschen, sie ist total von den Socken, dass ich mit dem Rad unterwegs bin. Morgen schicke ich ihr das Ortseingangsschild von Berlin, per whatsApp… Wir sind gleichaltrig. Ich verabschiede mich von den Jungs, da ich die Übernachtung in der DJH Potsdam für heute gebucht habe. Andreas hatte angeboten, dass ich mit in seinem Zelt übernachten könnte. Mit meinem verbeulten Gesicht?? Nö. Ein Bett ist da besser. Auf dem Weg nach Potsdam, verliere ich ein Teil meines Ständers (??) Locker durch die Erschütterungen), habe das Geräusch aber nicht zuordnen können. Während der letzten 2 km geht mal wieder ein Gewitter über mir hernieder. An der DJH angelangt, merke ich das mit dem Ständer. Es schüttet „wie aus Eimern“. Melde mich an. Heute Mehrbettzimmer. Kriege mit der verletzten Hand die Packtaschen nicht ab. Frage nach Hilfe. Heinz-Dieter kommt mit raus. Gemeinsam kriegen wir es hin. Er trägt sie mir in den ersten Stock – 48 Stufen, hier merke ich auch wieder meine Knie – bekomme die Tür zum Zimmer nicht richtig auf, drinnen sitzt eine Frau, die mir nicht hilft, mache Krach, bekomme einen Anruf…. Bekomme die Tür auf, es ist so stickig hier, will das Oberlicht öffnen, bekomme nicht mit, dass es kaputt ist – der Riegel kracht herunter, gehe duschen, habe Hunger, während ich fertig bin, kommt die Frau herein und will ihr Handtuch. Sie ist sehr aufgebracht, da sie müde ist und ich so einen Krach gemacht habe. Ich habe eigentlich keine saubere Hose mehr und ziehe meine Regenhose an, suche Heinz-Dieter auf, ob er mir den Weg zum nächsten Restaurant zeigen kann. Kurze Zeit später sitze ich vor meiner Pizza und lausche Heinz-Dieter´s Rad-Tor-Touren. Er fährt auch zum Kirchentag, aber nicht mit der BrotTour..